Offener Vollzug
Was ist unter dem Begriff offener Vollzug zu verstehen?
Den offenen Vollzug gibt es bereits seit dem 19. Jahrhundert. Zur Zeit der Weimarer Verfassung und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er ständig ausgebaut, weil er - wie die Erfahrungen in der Praxis zeigen - unter allen Vollzugsformen die größte Erfolgsaussicht bietet, straffällig gewordene Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
Äußerlich unterscheidet sich der offene Vollzug vom geschlossenen Vollzug im Wesentlichen dadurch, dass er über keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen, das heißt gegen die Flucht von Gefangenen verfügt (§§ 22 und 105 JVollzGB LSA).
Wo gibt es den offenen Vollzug in Sachsen-Anhalt?
An den Standorten Magdeburg, Halle (Saale) und Schkopau (früher Raßnitz) wird der offene Vollzug durchgeführt.
Die entsprechenden Unterkunftsgebäude liegen überwiegend im Stadtgebiet inmitten einer Wohnbebauung. Probleme mit Anwohnern sind insoweit nicht aufgetreten. Vielmehr fügen sich die Abteilungen des offenen Vollzuges unauffällig in das soziale Gefüge des jeweiligen Stadtgebietes ein.
Besteht eine gesetzliche Verpflichtung für den offenen Vollzug?
Nach § 22 JVollzGB LSA soll ein Gefangener in eine Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges untergebracht werden, wenn er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und namentlich nicht zu befürchten ist, dass er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werde. Damit stellt der offene Vollzug nach dem Willen des Gesetzgebers die Regelunterbringung dar, der geschlossene Vollzug hingegen die Ausnahme. In der Praxis sieht dies freilich anders aus: Nur rund 10 bis 20 Prozent der Gefangenen erfüllen die Anforderungen für den offenen Vollzug. Die übrigen Gefangenen müssen im geschlossenen Vollzug untergebracht werden.
Welche Bedeutung kommt dem offenen Vollzug für eine erfolgreiche Resozialisierung der Gefangenen zu?
Gerade die Unterbringung im offenen Vollzug ist ein Mittel des Behandlungsvollzuges, mit dem das vom Gesetzgeber normierte Vollzugsziel, den Gefangenen zu befähigen, nach der Entlassung ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen, am ehesten erreicht werden kann. Denn das Leben im offenen Vollzug kann den allgemeinen Lebensverhältnissen weit stärker angeglichen werden als im geschlossenen Vollzug. Die Gefahr schädlicher Beeinflussung durch Mitgefangene (Subkultur) ist im offenen Vollzug wesentlich geringer als im geschlossenen Vollzug. Ferner ist der offene Vollzug in besonderer Weise dazu geeignet, den Übergang des Gefangenen in die Freiheit zu erleichtern, zum Beispiel durch eine Arbeit außerhalb der Anstalt.
Insgesamt wird mit dem offenen Vollzug für diejenigen Gefangenen, die die entsprechenden persönlichen und sozialen Anforderungen erfüllen, ein gleitender Übergang in die Freiheit geschaffen. Diese sukzessive Rückkehr in die Gesellschaft bietet erfahrungsgemäß die größte Gewähr, dass der Gefangene nicht wieder straffällig wird und künftig ein Leben in sozialer Verantwortung führt.
Wie wird der Vollzugsalltag im offenen Vollzug gestaltet?
Der Gefangene verlässt morgens die Anstalt und begibt sich zu seinem Arbeitsplatz. Nach Ende der Arbeit kehrt er unverzüglich in die Anstalt zurück und bleibt dort, sofern er keinen Ausgang oder Langzeitausgang hat, bis zum nächsten Morgen. In der Anstalt kann der Gefangene sich weitgehend frei bewegen und an den dort angebotenen Freizeit-, Sport- und Behandlungsmaßnahmen teilnehmen. Die meisten Wochenenden verbringt der Gefangene bei seiner Familie.
Innerhalb der Anstalt wird der Gefangene rund um die Uhr beaufsichtigt und betreut. Außerhalb der Anstalt kontrollieren Bedienstete ihn regelmäßig am Arbeitsplatz. Ferner werden die Arbeitgeber vertraglich verpflichtet, jede Unregelmäßigkeit unverzüglich der Vollzugsbehörde mitzuteilen. Dazu gehören zum Beispiel jede Unpünktlichkeit des Gefangenen, jeder Alkoholkonsum oder jedes andere Fehlverhalten, sei es auch noch so geringfügig. Anders ausgedrückt unterliegt der Gefangene auch im offenen Vollzug einer ständigen, wenngleich auch gelockerten Beaufsichtigung und Kontrolle.